Reisebericht Nigeria
Meine berufliche Auszeit in 2022 erlaubte mir, eine Reise nach Nigeria in Angriff zu nehmen. Als neuer Kassier von Olileanya e.V. war ich neugierig. Es war klar, dass es kein typischer Urlaub wird. Der erste Versuch im Mai 2022 scheiterte am Unwillen der nigerianischen Botschaft, Visa für deutsche Bürger auszustellen.
Die Information, dass Mitarbeiter der in Wien angesiedelten NGO ICMPD ab Anfang November in Enugu sind, ermutigte mich, mein Reiseprojekt Enugu/Nigeria wieder aufzugreifen. Denn damit war klar, dass ich die Abende nicht allein im Hotel verbringen muss – und interessante und liebe Menschen in einem großartigen Projekt kennenlernen konnte.
Der 11-stündige Flug verlief reibungslos, über Addis Abeba direkt nach Enugu. Dort angekommen wurde ich das erste Mal mit der Korruption konfrontiert. Eine aus Sicht des Flughafenpersonals fehlende Impfung sollte nachgeholt werden. Natürlich ließ ich mich nicht spritzen und zahlte spontan die Strafe über 10 USD – die sich die Dame wohl selbst einstrich.
Der zweite Schrecken wurde durch den Zollbeamten verursacht, der kurzerhand mein dreimonatiges Visum strich – und es nach Minuten des Wartens in ein einmonatiges Visum änderte. Unsere Gabi hat es geschafft, mich direkt hinter dem Zoll von diesen Vorgängen zu erlösen. Schon die erste Fahrt, vom Flughafen in das Waisenhaus zeigte mir die ärmlichen Verhältnisse auf. Ein Eindruck, der mich stets begleitete.
Der Empfang durch die Kinder und Jugendlichen im Haus Nno war etwas verhalten. Ich war gestresst und sie etwas scheu, was sich im Laufe der Reise jedoch schnell änderte. Die Treffen mit den Kindern beschränkten sich wochentags auf eine Stunde – um 16 Uhr kamen sie von der Schule und um 17 Uhr wurde ich von Gabi wegen der dann einbrechenden Dunkelheit und der Gefahr auf den Straßen wieder ins Hotel gebracht. Umso schöner waren die Samstage und Sonntage. Die Kinder und Jugendlichen im Haus Nno tauten immer mehr auf.
Ich wurde von den Jungs beim Tischtennis eingebunden und von den Mädchen, vor allem der 18-jährigen Joy, beim Schneckennudel backen gefordert. Ganz gespannt lauschten die Jüngeren meinem Vorlesen aus dem Tierbuch, wobei die Tiervideos auf YouTube noch viel spannender waren. Der jüngste zeigte sich von seiner aufgeweckten und spaßigen Seite – eine Freude, ihn so zu sehen, besonders wenn man seine Geschichte kennt. Bewegender war der Moment, als der erst seit ein paar Wochen im Haus lebende und eher schüchterne Chisom meine Hand nahm und sich festhielt. Es zeigt, dass unser Haus Nno und Mama Gabi den Kindern nicht nur ein Dach über dem Kopf bietet, sondern auch den notwendigen emotionalen Halt gibt.
Am ersten Sonntag besuchten wir gemeinsam mit den Mitarbeitern der österreichischen NGO den Gottesdienst in der Kirche der katholischen Universität – anschließend wurden wir dem Gründer und jetzigem Rektor der Uni, Professor Christian Anieke vorgestellt und erhielten den persönlichen Segen.
Sehr bewegend war der Besuch des Wohnheims der von Lepra gezeichneten Menschen. Was ich aus Dokumentationen kannte, hatte ich nun real vor Augen. Gabi kümmert sich auch hier rührend um die Belange der Menschen. Wir hoffen, dass nach dem Rückzug der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. weiterhin finanzielle Mittel an die Bewohner fließen. Die Wohnsituation der Menschen ist bedrückend – vielleicht kann ein leerstehendes Gebäude den dort wohnenden Kindern und Jugendlichen helfen, in Ruhe ihre Hausaufgaben zu machen, um ihre schulischen Leistungen zu verbessern.
Ein weiters Highlight war mein Besuch der privaten Schule, die unsere Kinder besuchen. Sie wurde von einer Deutschen gegründet. Hildegard Ebigbo hat hier in den zurückliegenden 45 Jahren ein Projekt aufgebaut, was mich staunen ließ. Ihr nigerianischer Mann, ein emeritierter Professor, ist zeitgleich auch König in seinem Heimatdorf. Hildegard, ihre Tochter, Gabi und ich diskutierten die Sicherheitslage, die politischen Hintergründe der zunehmenden Kidnappings durch Kriminelle verschiedenster Herkunft. Mit großer Freude durfte ich die Klassen besuchen – Inklusion wird hier großgeschrieben, nehmen doch auch Schüler mit Handicap am Unterricht teil.
Es dauerte, bis alle unsere Kinder nach Schulschluss versammelt waren – Chisom hielt meine Hand, bis wir alle miteinander die Heimfahrt antraten; die Kinder mit Freude auf das freie Wochenende, ich mit größerer Ängstlichkeit vor einem Kidnapping.
Beim Besuch des örtlichen Marktes kauften wir Stoff für mein neues nigerianisches Gewand – von Gabi ausgesucht und von Okwudili perfekt genäht ist es nun mein ganzer Stolz im Kleiderschrank.
Gespräche über die Zukunft unseres Vereins und die finanzielle Absicherung war ebenfalls Ziel des Besuches. Mit Sozialarbeiter Chibuzo und dem Arzt Dr. Obinna haben wir zwei gestandene Männer und Angestellte, die Gabi hervorragend unterstützen. Chibuzo soll mit Online-Seminaren über „HIV-Vermeidung und Behandlung“ Geld für Olileanya verdienen. Ebenso haben wir ausgiebig ein Ackerbauprojekt (Aquaponic) diskutiert und den Business Case erstellt.
Das Projekt Augenklinik stockt. Das Gebäude ist weitgehend fertiggestellt, der Bus für die Fahrten auf die Dörfer zwischenzeitlich im Container auf dem Weg nach Nigeria, soll evtl. noch vor Weihnachten eintreffen; es fehlt noch an der Innenausstattung und der Solaranlage. Hier sind weitere Verhandlungen mit weiteren Geldgebern notwendig, um der Eröffnung näher zu kommen.
Mein Abschied war emotional und mir standen die Tränen in den Augen. Ich bin glücklich, dass die Mitglieder von Olileanya e.V. und die vielen Paten und Spender den finanziellen Rahmen schaffen, diesen Kindern und Jugendlichen eine gute Herberge, Unterricht und eine Zukunft zu geben. Gabi gibt ihr Herz und sorgt für die notwendige emotionale Wärme im Haus.
Hoffentlich wird die Präsidentenwahl im Februar für mehr Ordnung und Sicherheit sorgen, so dass einem weiteren Besuch nichts im Wege steht.
November 2022, Christof Götz